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Entstanden ist der Mythos der atmenden Wand durch einen Messfehler

Viele Menschen glauben, dass eine Dämmung ein Haus zu stark abdichtet und die Wände somit nicht mehr atmen können. Das «Forum für sicheres Dämmen mit EPS» hat dazu einen Fachmann* befragt. Ergänzend dazu Stellungnahmen aus Sicht eines Steinwolle-Herstellers und eines Produzenten/Händlers von Öko-Dämmstoffen.
26.03.2024 Wissen Applica +
  • EPS ist im technischen Sinn zwar nicht diffusionsoffen, aber es macht die Wand nicht «dichter», als diese ohnehin schon ist. Bild: SMGV

Immer wieder behaupten selbst Fachleute, dass eine gedämmte Wand nicht mehr atmen kann. Insbesondere dem Dämmstoff EPS wird zugeschrieben, dass er die Wand dicht macht, dabei ist EPS diffusionsoffen. Woher stammt eigentlich der Mythos der atmenden Wand?

Roland Lohsträter: Entstanden ist der Mythos,  oder besser die falsche Annahme, durch einen Messfehler zum Ende des 19. Jahrhunderts. Bei experimentellen Raumluftmessungen, welche für hygienische Verbesserungen der damaligen Raumluft sorgen sollten, ist der zur Aussen­umgebung offene Kaminofen übersehen worden. Die damals ausgetauschte Luft wurde dann einer Luftabgabe durch die Wand zugeordnet. Rund 30 Jahre später konnte der Irrtum belegt und aufgeklärt werden, jedoch war die ‹atmende Wand› inzwischen fester Bestandteil bei den Gelehrten.

Was ist heute Stand des Wissens?

Roland Lohsträter: Heute stellen wir Überlegungen an, die dafür sorgen müssen, dass bei den hochgedämmten Fassaden und luftdichten Fenstern der im Inneren eines Gebäudes anfallende Wasserdampf abgeführt und zuverlässig reduziert wird. Tatsächlich stellt sich ein sehr kleiner, aber auch vernachlässigbarer Anteil des Diffusionstransportes durch die Wand ein. 99 Prozent jedoch werden durch geöffnete Fenster oder durch eine kontrollierte Lüftungsanlage abgeführt. Wird mit EPS gedämmt, ändern sich die gerade genannten Parameter nicht. EPS ist im technischen Sinn zwar nicht diffusionsoffen, sondern tatsächlich leicht diffusionshemmend, aber es macht die Wand nicht ‹dichter› als diese ohnehin schon ist.

Warum hält sich der Mythos so hartnäckig?

Roland Lohsträter: Es sind heute noch unfassbar viele Gebäude praktisch ungedämmt und auch mit schlechten, sprich undichten Fenstern versehen. Bei diesen Gebäuden findet sehr oft eine unkontrollierte und dauerhafte Belüftung durch die Fensterundichtigkeiten statt. Werden nun nach heutigen Massstäben neue Fenster eingebaut, müssen die Bewohner ihre seit Jahrzehnten gewohnte Praxis des Nicht-Lüftens aufgeben und idealerweise durch sachgerechtes Stosslüften für den Abtransport der feuchten Raumluft sorgen. Diese Verhaltensänderung gelingt jedoch oftmals nicht.

Was ist die Folge?

Roland Lohsträter: In der Folge zeigt sich, insbesondere in den Ecken von Räumen, Schimmelbildung. Eine mit dem Austausch der Fenster zeitgleich aufgebrachte Aussendämmung, gerne mit EPS, verzögert bei falschem Lüftungsverhalten diesen Prozess, wird ihn aber nicht gänzlich verhindern. Somit ist bei der Bewertung des Schadens für den Betroffenen und leider auch für nicht wenige Baufachleute die aufgebrachte Dämmung der Übeltäter.

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